Dass die Adventszeit für mich als bekennende nicht-Kirchengängerin mal einen tieferen Sinn bekommen sollte, hätte ich auch nicht gedacht. Aber es ist so: Gestern Nacht traf mich eine Erkenntnis. Ich mag Stille, und Stille hat sogar etwas mit Marketing zu tun.
Man kann Türen beinah lautlos schließen, oder sie ins Schloss knallen lassen ohne die Klinke herunter zu drücken.
Man kann sich leise zischend die Nase schnäuzen, oder laut trompetend.
Man kann niesen, und niesend schreien.
Man kann die Rollladen mit einem lauten Raaaaatsch! herunter sausen lassen, oder mit einem gleichmäßigen Rrrrrrr.
Man kann ein Auto mit einem normalen Motorengeräusch fahren, oder eines mit röhrendem Sportauspuff.
Man kann dem leisen Wind zuhören, oder ein klimperndes Windspiel aufhängen.
Man kann sich Zuhause einfach in Stille wohl fühlen, oder sofort das Radio einschalten wenn man die Wohnung betritt.
Ich schaue gern fern, doch noch mehr genieße ich den Moment, wenn das Gerät ausgeschaltet wird und Stille einkehrt. Ich mag die Geräusche des Lebens, sie gehören dazu und lassen mich auch akustisch Bestandteil dieses Lebens sein. Doch ich mag es nicht, wenn das Leben mich anschreit, und sich durch Lärm statt Geräusche mehr aufdrängt, als es nötig wäre. Das war meine Erkenntnis, die der Advent mir gebracht hat.
Aber was hat das mit Kommunikation, Marketing, oder gar Werbung zu tun? Wie so oft war es Freund Zufall, der mir genau zeitgleich mit dieser Erkenntnis einen Kundenauftrag geschickt hat. Oder sollte es gar so sein? Mein Kunde bat mich, einen vorhandenen Gesprächsleitfaden für ein Verkaufstelefonat zu überarbeiten. Einige Tage lang wusste ich nicht, warum mir dieser Job so unsympathisch war. Jetzt weiß ich es:
Dieser Telefonleitfaden war nicht still. Er bediente sich der typischen 90er-Jahre-Floskeln mit Suggestivsätzen, Ja-Straßen und den ganzen manipulativen Verkaufstechniken, und gab den Telefonisten sogar „Pseudo-Namen“, die Sympathie ausstrahlen sollten. Hinter dem Deckmäntelchen, eine Adresse für den Versand eines Präsentes zu erfragen, wurde ein Verkaufsgespräch eingestielt. Der ganze Aufbau des Dialoges war durch und durch unehrlich.
Nachdem mir klar geworden war, warum dieser Leitfaden bei mir dieses Unwohlsein auslöste, konnte ich ihn überarbeiten. Ich gab dem Fahrplan für den telefonischen Dialog eine echte, authentische Basis. Ich wies die Telefonisten an, den Text nicht auswendig zu lernen, sondern sich lediglich mit dem Inhalt vertraut zu machen und ihn dann mit eigenen Worten wiederzugeben. Ich gab zwischen den Floskeln kleine Regie-Anweisungen: „Machen Sie eine kurze Sprechpause“ „Sprechen Sie das mit einem humorigen Augenzwinkern“.
Mein Ziel war, den Telefonisten ein Instrument an die Hand zu geben, mit dem sie mit einem souveränen Selbstverständnis ein gutes Produkt anbieten. Nicht mehr und nicht weniger. Ohne Schnörkel, ohne das geheuchelte Interesse „Wie geht es Ihnen?“, das in diesem Verkaufsgespräch genauso deplatziert wirkt wie ein Rabatt-Angebot in einer Weihnachts-Grußkarte.
Ich gab dem Telefon-Gesprächsleitfaden Stille und beschränkte ihn auf das Wesentliche. Denn instinktiv wissen wir doch alle, dass „Wer schreit, hat recht“ nicht stimmt.
Ich wünsche Ihnen allen eine besinnliche Zeit.